Biodiversität finanzieren – Wie lässt sich Kapital zur Sicherstellung der Biodiversität locker machen?

von Dr. Lorena Fricke, Dr. Martin Götz und Dr. Philipp Johann König,
Deutsche Bundesbank

Unter Biodiversität wird die Vielfalt des Lebens in all seinen Formen und Ausprägungen verstanden. Während Sorgen und Diskussionen über den weltweiten Verlust an Biodiversität lange Zeit wenig Beachtung fanden, ist das Thema mittlerweile im Zentrum der Gesellschaft angelangt.

Ökonomisch betrachtet ist Biodiversität ein wichtiger Faktor für den gesellschaftlichen Wohlstand, der dazu beiträgt, dass `nature capital’ (der Bestand natürlicher Ressourcen wie Wälder, Meere etc.) weltweit einen jährlichen Strom an `ecosystem services‘ erzeugt, deren Wert rund 125 Billionen US-Dollar beträgt. Wirtschaftlicher Fortschritt und die wachsende Ausbeutung der Umwelt bedrohen die Biodiversität allerdings und können zu einer irreversiblen Zerstörung von Ökosystemen und ‚nature capital‘ führen.

Finanzinstitute lenken Finanzkapital von Investoren (Sparern) zu Firmen und Haushalten und spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung wirtschaftlichen Fortschritts. Die Veränderung der Ökosysteme bedeutet für Finanzinstitute auch, dass ihre Tätigkeit zusätzlichen Risiken ausgesetzt ist: „physischen Risiken“, aufgrund des Wertverlusts von Investitionen durch die Zerstörung von `nature capital’; „Transitionsrisiken“, aufgrund des (Wert)verlusts durch politische Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität, die die Nutzung von `nature capital‘ einschränken bzw. verteuern.

In den letzten Jahren sind viele politische Initiativen entstanden, um den Biodiversitätsverlust einzudämmen und die irreversible Zerstörung der Ökosysteme aufzuhalten. Finanzinstituten kommt im Kampf gegen den Verlust von Biodiversität eine wichtige Rolle zu. Dies führt jedoch zu weiteren Spannungsfeldern, die analysiert und adressiert werden müssen.

  • Wie können Finanzmärkte zur Aufrechterhaltung der Biodiversität und der Konservierung natürlicher Ressourcen beitragen?

  • Was für Möglichkeiten gibt es, eine bessere und nachhaltigere Finanzierung der Konservierung der Natur und natürlicher Ressourcen zu gewährleisten?

  • Welchen Stellenwert sollten Biodiversitätsrisiken im Kalkül privater Finanzmarktakteure spielen?

  • Welche Rolle können und sollten staatliche Organe, wie zum Beispiel Aufsichtsbehörden oder Zentralbanken, für ein ökologisch nachhaltiges Finanzsystem spielen?

Must-Read Literatur

1) Network for the Greening of the Financial System: Biodiversity and Financial Stability: Building the Case for Action, NGFS Occasional Paper, October 2021
https://www.ngfs.net/sites/default/files/medias/documents/biodiversity_and_financial_stablity_building_the_case_for_action.pdf

2) OECD: Biodiversity, Natural Capital and the Economy: A Policy Guide for Fi-nance, Economic and Environment Ministers, OECD Environment Policy Paper No. 26, Report prepared by the OECD for the G7 Presidency of the United Kingdom, 2021
https://www.oecd.org/environment/biodiversity-natural-capital-and-the-economy-1a1ae114-en.htm

3) OECD: A Comprehensive Overview of Global Biodiversity Finance, Final Report, April 2020
https://www.oecd.org/environment/resources/biodiversity/report-a-comprehensive-overview-of-global-biodiversity-finance.pdf

Weiterführende Literatur

Dasgupta, Partha: The Economics of Biodiversity – The Dasgupta Review, February 2021
https://www.gov.uk/government/publications/final-report-the-economics-of-biodiversity-the-dasgupta-review

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Lorena Fricke

Dr. Lorena Fricke arbeitet seit April 2024 in der Abteilung Nachhaltigkeit der Deutschen Bundesbank. Sie hat an der Christian-Albrechts-Universität Kiel Volkswirtschaft studiert und im Bereich Quantitative Economics promoviert – mit Aufenthalten als Gastwissenschaftlerin am Institute for New Economic Thinking sowie am CABDyn Complexity Centre in Oxford, UK. In Ihrer Forschung beschäftigte Lorena Fricke sich mit dem Verständnis komplexer ökologisch-ökonomischen Systeme sowie nachhaltigem Fischereimanagement. Vor Ihrer Tätigkeit in der Deutschen Bundesbank war sie als Referentin für Wirtschaft und Geschäftsführerin einer Recycling-Initiative für Agrarkunststoffe in der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. tätig.

Martin Götz

Dr. Martin Götz arbeitet seit Oktober 2020 als Ökonom im Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank. Von August 2013 bis September 2020 war er als Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe Universität tätig. Vor dieser Tätigkeit arbeitet er von August 2010 bis Mai 2013 als Forscher bei der Federal Reserve Bank of Boston. Er promovierte an der Brown University in Providence, Rhode Island im Mai 2010. In seiner Forschung beschäftigt Martin Götz sich mit dem Einfluss von Finanzintermediären auf die volkswirtschaftliche Entwicklung und Finanzstabilität.

Philipp Johann König

Dr. Philipp König arbeitet seit 2017 als Ökonom im Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank. Er hat an der Freien Universität Berlin Volkswirtschaftslehre studiert und anschließend an der Technischen Universität Berlin zum Thema Finanz- und Liquiditätskrisen promoviert. Vor seiner Tätigkeit bei der Bundesbank war er an der Technischen Universität und am DIW Berlin tätig. In seiner Forschung untersucht Philipp König Fragen zur Regulierung von Finanzinstituten, sowie Anreizprobleme im Banken- und Finanzsektor. Zunehmend spielen dabei auch Risiken eine Rolle, die aus Umweltproblemen und Klimawandel entstehen.