Blinder Fleck Schulpolitik – Was können wir gegen eine verschärfte Bildungsungleichheit tun?

von Theresa Markefke und Felix Mindl, iwp Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln

Im Zuge der Pandemiebekämpfung wurden seit März 2020 die Schulen wiederholt geschlossen. Während Grundschüler:innen soweit möglich in Präsenz oder zumindest im Wechselunterricht beschult wurden, fiel für viele Schüler:innen der Klasse fünf und höher – mit Ausnahme der Abschlussklasse – der Präsenzunterricht für bis zu 20 Wochen weg. Das ist mehr als die Hälfte eines gesamten Schuljahres.

Trotz der frühen Forderung der ständigen wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz den Bildungsrückstand sowie die Wirkung der implementierten Maßnahmen empirisch zu evaluieren, gibt es bisher immer noch keine belastbaren Zahlen. Allerdings legen Elternbefragungen nahe, dass sich die Lernzeit der Schüler:innen in Zeiten der Schulschließung halbiert hat. Mehr als die Hälfte der Eltern gab an, dass ihre Kinder weniger als einmal pro Woche online unterrichtet wurden. Die Lernverluste unterscheiden sich dabei je nach Leistungsstärke und Haushaltskontext der Schüler:innen.

Die zunehmende Digitalisierung der Schulen während des ersten Lockdowns hat zwar dazu geführt, dass die Schüler:innen und Lehrer:innen im zweiten Lockdown wesentlich besser in Kontakt standen. Doch auch hier ist zu befürchten, dass eine erhebliche Differenz der Lernzeiten zwischen dem Stand vor und während der Pandemie bestehen bleibt. In einer Studie über Schulschließungen während der Pandemie in den Niederlanden wurde gezeigt, dass eine achtwöchige Schließung zu im Durschnitt 20% schlechteren Ergebnissen in der jährlichen Lernstandserhebung geführt haben. Die negativen Auswirkungen verringerter Lernzeit sind stärker bei Schüler:innen aus bildungsfernen Haushalten, die beim Lernen verstärkt auf die Unterstützung von Lehrkräften angewiesen sind. Dadurch wird die Bildungsungleichheit weiter zunehmen. Diese Entwicklung hat auch langfristige Folgen. Denn schlechtere schulische Leistungen führen in der Regel zu schlechteren Berufschancen und zu einem niedrigeren Lebenseinkommen.

Mit Hinblick auf die langfristigen volkswirtschaftlichen Schäden ist es von besonderem gesellschaftlichem Interesse, die entstandene Bildungslücke so gut wie möglich zu schließen und Chancengleichheit in der Bildung zu wahren. In diesem Projekt sollen bereits implementierte sowie vorgeschlagene Maßnahmen diskutiert und die Evidenz zu ihren Wirkungen nachvollzogen werden. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse soll abgewogen werden, welche Maßnahmen sich aus ökonomischer Perspektive dazu eignen, die politischen Ziele zu erfüllen.

Wie haben sich die Schulschließungen auf den Bildungsstand ausgewirkt?
Sind die Schüler:innen unterschiedlich betroffen?
Inwiefern können die bisherigen Maßnahmenprogramme (z.B. „Aufholen nach Corona“) Bildungsungleichheit adressieren?
Welche weiteren Maßnahmen können helfen, mit Lernrückständen umzugehen?

Must-Read Literatur

Kohlrausch, B. (2021): Die Corona-Krise verschärft Bildungsungleichheit. In: WSI-Mitteilungen (06/2021). Online verfügbar unter https://www.wsi.de/data/wsimit_2021_06_kommentar.pdf

Anger, C., & Plünnecke, A. (2021). Schulschließungen: Auswirkungen und Handlungsempfehlungen. In: IW-Kurzbericht (No. 44/2021). Online verfügbar unter https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Kurzberichte/PDF/2021/IW-Kurzbericht_2021-Schulschlie%C3%9Fungen.pdf

Ludgar Wößmann (2020): Folgekosten ausbleibenden Lernens: Was wir über die Corona-bedingten Schulschließungen aus der Forschung lernen können. In: ifo Schnelldienst 73 (Nr. 06), S. 38–44. Online verfügbar unter https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-06-woessmann-corona-schulschliessungen.pdf

Weitere Literaturvorschläge

Anger, C., & Plünnecke, A. (2020): Schulische Bildung zu Zeiten der Corona-Krise. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 21 (4), S. 353–360. DOI: 10.1515/pwp-2020-0055. Online verfügbar unter https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/pwp-2020-0055/html

Wößmann, L., Freundl, V., Grewenig, E., Lergetporer, P., Werner, K. & Zierow, L. (2020): Bildung in der Coronakrise: Wie haben die Schulkinder die Zeit der Schulschließungen verbracht, und welche Bildungsmaßnahmen befürworten die Deutschen? In: ifo Schnelldienst 73 (Nr. 06), S. 25–39. Online verfügbar unter https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-09-woessmann-etal-bildungsbarometer-corona.pdf

Helbig, M. (2021): Lernrückstände nach Corona – und wie weiter? Anmerkungen zu den aktuell debattierten bildungspolitischen Maßnahmen zur Schließung von Lernlücken. In: Schule und Schulpolitik während der Corona-Pandemie: Nichts gelernt? DDS Die Deutsche Schule Beiheft (Band 18). Online verfügbar unter: https://elibrary.utb.de/doi/book/10.31244/9783830994589

Huebener, M. & Schmitz, L. (2020): Corona-Schulschlieungen: Verlieren leistungsschwächere SchülerInnen den Anschluss? (30). In: DIW aktuell (Nr. 30) Online verfügbar unter http://hdl.handle.net/10419/216975

Ständige wissenschaftliche Kommission der KMK (2021): Pandemiebedingte Lernrückstände aufholen – Unterstützungsmaßnahmen fokussieren, verknüpfen und evaluieren. Online verfügbar unter https://www.kmk.org/fileadmin/pdf/KMK/StaewiKo/2021/2021_06_11-Pandemiebedingte-Lernruckstaende-aufholen.pdf

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Theresa Markefke

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Theresa Markefke ist seit Herbst 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftspolitik.

Nach ihrem Bachelorstudium in Politik und Wirtschaft (B.A.) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Corvinus Universität Budapest absolvierte sie den Masterstudiengang Economics (M.Sc.) an der Universität zu Köln. Schwerpunkte des Masterstudiums lagen auf „Wachstum, Arbeitsmärkten und Ungleichheit in der globalen Wirtschaft“, „Finanzwissenschaften“ und „Sozialpolitik“. Während ihres Studiums sammelte sie praktische Erfahrungen unter anderem als Praktikantin im Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sowie als studentische Hilfskraft am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit.

Felix Mindl

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Felix Mindl ist seit dem Frühjahr 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik.

Nach dem Bachelorstudium in Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und der Universidad ESAN in Lima, Peru, absolvierte er auch seinen Master of Economics in Köln. Seine Schwerpunkte lagen dabei auf “Markets & Institution”, “Entrepreneurship” sowie „digitale Ökonomie”. Neben dem Studium sammelte er praktische Erfahrungen als studentische Hilfskraft im hochschulgründernetz cologne (hgnc) und als wissenschaftliche Hilfskraft beim Lehrstuhl für „Industrial Economics and Applied Microeconometrics”.