Gefährdet Lobbyismus die Demokratie? Wie kann das System der Interessenvertretung in Deutschland und der EU verbessert werden?
von Dr. Dieter Plehwe, WZB – Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Viele Unternehmen oder Verbände beschäftigen Lobbyisten– das reicht von der Autoindustrie über die Pharmabranche bis hin zu Banken oder Versicherungen. Diese Interessenvertretung ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Ebenso wie die Meinungsfreiheit, das Demonstrationsrecht und das Recht auf die Bildung von Vereinigungen bietet das Recht der Interessenvertretung gegenüber Politik und Öffentlichkeit eine Grundlage für die Beteiligung am Gemeinwesen. Was aber geschieht in der parlamentarischen Demokratie und in der Öffentlichkeit, wenn Lobbyismus undurchsichtig ist oder überhandnimmt? Könnte ein starker Lobbyismus die Demokratie gefährden?
Die Zahl der Einträge im brandneuen Lobbyregister des Bundestages liegt bei knapp 7.000. Im EU Transparenzregister gibt es beinahe 13.000 Einträge. Aufgrund der starken Zunahme von Lobbyismus und der wachsenden Kritik an fragwürdigen Methoden wurde ein Transparenzregister eingerichtet, wie es auch aus der Forschung immer gefordert wurde. Damit wurde eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um bessere Einblicke in die Arbeit der Lobbyisten zu erlangen. Allerdings ist die Arbeit der Interessenvertretung komplex. Viele politische Entscheidungen werden in der EU gefällt, weshalb die Strategien der Lobbyisten sich häufig nicht auf die nationale Ebene beschränken können. Nicht alle Interessengruppen sind aber in der Lage, in Berlin und Brüssel tätig zu werden. Gleichzeitig werden öffentliche Debatten wichtiger, um politische Entscheidungen vorzubereiten. Deshalb spielen Denkfabriken, Kampagnenorganisationen und (soziale) Medien eine größere Rolle als in der Vergangenheit. Welchen Folgen hat das? Ein entsprechend erweiterter Lobbyismus verfolgt verschiedene Wege zum Erfolg und schließt die Beratung von Politik und Öffentlichkeit ins Kalkül strategischer Einflussnahme ein.
Mögliche Fragestellungen:
Welche Art von Lobby-Organisationen gibt es?
Auf welche Art nehmen Lobby-Organisationen Einfluss und wie weit reicht er? Wie weit reicht der Lobbyismus an Schulen?
Bietet das politische System den verschiedenen Interessen in der Gesellschaft einen gleichmäßigen Zugang?
Ist es leichter, auf der nationalen Ebene Einfluss zu nehmen als in der EU?
Welche Regeln müssen Lobbyisten befolgen? Reichen die Regeln der Lobbyregulierung aus für die Sicherung des demokratischen Gemeinwohls?
Must-Read Literatur
Zimmermann, Annette und Rudolph Speth: Einleitung. Von Interessenvertretung zu „Lobby Work“ in: dies., Hrsg., Lobby Work. Interessenvertretung als Politikgestaltung. Wiesbaden, Springer VS, 2015, S. 9-30.
Dinan, Will, (2010) The battle for lobbying transparency. In: Alter EU, Bursting the Brussels Bubble. Brüssel. (onine: www.alter-eu.org/book/bursting-the-brussels-bubble), S. 139-147.
Weiterführende Literatur
Amberger, Julia; Plehwe, Dieter (Hg.) (2019): Dossier Lobbyismus. Internet: http://www.bpb.de/politik/wirtschaft/lobbyismus/
Müller, U./Giegold, S./Arhelger, M. (eds.) Gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Eliten Politik und Öffentlichkeit beeinflussen. Hamburg: VSA Verlag
Das Thema wird betreut von
Dieter Plehwe
Dr. Dieter Plehwe arbeitet als Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globalisierung, Arbeit, Produktion am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er hat zu Fragen der regionalen Integration in Nordamerika an der Philipps-Universität Marburg promoviert und sich mit einer Schrift zu globalen Netzwerken, Interessenpolitik und sozialer Transformation im Fach Politikwissenschaft an der Universität Kassel habilitiert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen vergleichende Kapitalismusforschung, Lobbying und Politikberatung.