Gesamtschule Hamminkeln

Zukunft Pflegen – ein Netzwerk für Vorbilder mit Herz

Das Team der Gesamtschule Hamminkeln. Foto: YES! – Young Economic Solutions


Das ist unser Problem:

Wir haben herausgefunden, dass in der Pflege ein großer Fachkräftemangel herrscht. Durch die fehlenden Arbeitskräfte steigt die körperliche und psychische Belastung für die vorhandenen Pflegekräfte immer weiter an. Viele von ihnen können die Vielzahl an Aufgaben nicht mehr angemessen bewältigen. Außerdem haben wir festgestellt, dass sich zu wenige Menschen für eine Ausbildung oder einen Beruf in der Pflege entscheiden und auch das ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich sehr gering ist.

Wir haben uns für dieses Thema entschieden, weil es uns persönlich sehr bewegt. Pflege betrifft früher oder später jede Familie und jedes einzelne Individuum, sei es durch Angehörige oder im Alter. Das Thema ist aktuell und wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Aus unserer Sicht besteht großer Handlungsbedarf, damit Pflegekräfte entlastet und ältere Menschen würdevoll betreut werden können. Für uns ist das eine Herzensangelegenheit.


So sieht unsere Lösung aus?

Unsere Lösungsidee ist es, ein Pflegenetzwerk aufzubauen, das Menschen in ihrer Umgebung unkompliziert die Möglichkeit bietet, sich in der Pflege zu engagieren. Ziel ist es, die Hürden für ein Pflegeehrenamt zu senken und gleichzeitig Anreize zu schaffen.

Dabei setzen wir auf intrinsische Motivation durch soziale Kontakte, Anerkennung, Sichtbarkeit, eine individuelle und flexible Gestaltung der Aufgaben sowie gemeinsame Aktivitäten wie Feste oder Ausflüge. Ergänzt wird dies durch extrinsische Anreize, z.B. ein gestaffeltes Belohnungssystem mit zielgruppenspezifischen Angeboten für Schülerinnen, junge Erwachsene oder Seniorinnen sowie durch die Vergabe von Zertifikaten.

Das Netzwerk soll durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit bekannt gemacht werden. Der Einstieg erfolgt über Online-Meetings und kurze Einführungen direkt in Pflegeeinrichtungen vor Ort, um einen flexiblen und niedrigschwelligen Zugang zum Ehrenamt zu ermöglichen.


Das ist unser Ziel:

Unsere Wunschsituation ist es, das Engagement im Ehrenamt in der Pflege deutlich zu steigern.

Dadurch werden Pflegekräfte in ihrem Arbeitsalltag entlastet und können sich auf ihre zentralen Aufgaben konzentrieren. Gleichzeitig erhält das Thema Pflege mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Ein positiver Nebeneffekt: Mehr Menschen könnten durch diese Erfahrungen für die Pflege begeistert werden, das Ehrenamt wird so zum Sprungbrett in einen Pflegeberuf.

Das stärkt nicht nur die Pflege, sondern verbessert auch die Lebensqualität der betreuten Menschen, da Pflegekräfte und Ehrenamtliche wieder mehr Zeit für persönliche Zuwendung haben. Zugleich wird das gesellschaftliche Miteinander gestärkt, durch gelebte Solidarität und ein neues Bewusstsein für Gemeinschaft und Fürsorge.


Das ist unsere Zielgruppe:

Mit unserer Lösungsidee möchten wir eine breite Gruppe der Gesellschaft ansprechen – denn jede und jeder kann einen Beitrag leisten, unabhängig vom Alter. Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen für ein freiwilliges Engagement in der Pflege zu gewinnen und ihnen einen einfachen, sinnstiftenden Zugang zu ermöglichen.

Um unser Vorhaben erfolgreich umzusetzen, sind wir auf vielfältige Unterstützung angewiesen:

  • Regionale und überregionale Sponsoren, um das Belohnungssystem zu finanzieren
  • Pflegeeinrichtungen, die bereit sind, das Netzwerk aufzunehmen und mitzugestalten
  • Ehemalige und aktive Pflegekräfte, die Fortbildungen übernehmen und ihr Wissen weitergeben
  • Bürgerinnen und Bürger, die sich aktiv im Pflegebereich engagieren möchten
  • Universitäten, die über eine Anerkennung des Engagements z.B. bei der NC-Vergabe nachdenken könnten
  • Wohlfahrtsverbände, die mit Struktur, Know-how und Fortbildungen unterstützen
  • Stiftungen, die Pilotprojekte und Projektphasen finanziell fördern
  • Pflegeschulen und Pflegekammern, für fachliche Begleitung, Qualitätssicherung und Standardisierung
  • Öffentliche Stellen wie z.B. Kommunen, Sozialämter, Landesministerien (z.B. für Soziales oder Gesundheit), die Ehrenamtskarte oder Förderprogramme zur Verfügung stellen können
  • Bundesministerien, wie das BMFSFJ (Familie, Senioren) oder das BMG (Gesundheit), für Unterstützung in Form von Programmen zur Engagementförderung und Pflegeentwicklung


Das ist unsere wissenschaftliche Grundlage:

Ausgangslage und Analyse

Auf dem Weg zu unserer Lösungsidee haben wir die Vielfältigkeit der Ursachen für den Fachkräftemangel in der Pflege analysiert. Dabei wurde deutlich, dass die Herausforderungen sehr komplex sind:

  • Personalmangel
  • steigender bürokratischer und dokumentarischer Aufwand
  • technologische Umstellungen
  • physische und psychische Belastungen
  • mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung

Diese Vielzahl an Problemen lässt sich nicht durch eine einzelne Lösung beheben. Deshalb haben wir nach einem konkreten Fokus gesucht.

Recherche und Bedarfsermittlung
Wir haben Interviews mit Pflegekräften sowie Experteninterviews auf verschiedenen Ebenen in Pflegeeinrichtungen durchgeführt.

Dabei wurde deutlich:

Die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte ist zu hoch. Viele fühlen sich überfordert und allein gelassen. Sie brauchen Unterstützung im Alltag Menschen, die ihnen im wörtlichen Sinne „unter die Arme greifen“.

Inspiration durch andere Ehrenamtsmodelle
Als Orientierung haben wir erfolgreiche Strukturen anderer Ehrenamtsorganisationen untersucht, etwa die Freiwillige Feuerwehr oder die Tafeln. Diese zeigen, wie Ehrenamt durch klare Strukturen, Wertschätzung, Sichtbarkeit und Gemeinschaftsgefühl langfristig funktionieren kann.

Unser Belohnungssystem: Motivation mit Bedacht
In der Entwicklung unseres Belohnungssystems haben wir uns intensiv mit extrinsischer und intrinsischer Motivation befasst. Unser Ziel:

  • Keine zu starke extrinsische Motivation, um einen Crowding-Out-Effekt(Verdrängung innerer Motivation durch äußere Anreize) zu vermeiden.
  • Stattdessen setzen wir den Fokus auf intrinsische Anreize, wie:
    • Sinnstiftung
    • soziale Anerkennung
    • Sichtbarkeit des Engagements
    • Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft


Darüber würden wir gerne diskutieren:

  • Welche Möglichkeiten sehen Sie, unser Ehrenamtsmodell in der Pflege durch öffentliche Förderprogramme oder Strukturen wie die Ehrenamtskarte gezielt zu unterstützen?
  • Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Pflegeeinrichtungen und Initiativen wie unserem Pflegenetzwerk politisch besser unterstützt werden, z.B. durch Koordinierungsstellen oder Netzwerkförderung.
  • Wäre es denkbar, pflegerisches Ehrenamt stärker anzuerkennen – z.B. durch Bonuspunkte im Auswahlverfahren für Studienplätze oder in der beruflichen Ausbildung?
  • Welche Qualitätsstandards oder wissenschaftlich fundierten Fortbildungsinhalte würden Sie empfehlen, um unser Projekt fachlich und nachhaltig zu begleiten?
  • Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Ehrenamtsmodell in der Pflege auch langfristig Wirkung zeigt – und wie kann man das messen oder evaluieren?

Diese Fragestellung diente als Grundlage für die Idee des Schulteams:

Wer pflegt uns, wenn wir alt sind? –
Herausforderungen und Lösungen zum Fachkräftemangel in der Pflege

von Juliane Theiß und Walli Hoffmann, Universität Leipzig

 

57.000 offene Stellen und eine Fachkräftelücke (Differenz zwischen offenen Stellen und Arbeitslosen) von 35.000 Personen in Gesundheits- und Pflegeberufen belegen unmissverständlich, dass sich in Deutschland eine verheerende Entwicklung zur Versorgung alter und pflegebedürftiger Menschen abzeichnet. [1] Diese Situation herrscht nicht erst seit der Corona-Pandemie, ist aber seither verstärkt in den Blickpunkt geraten.

Neben dem demografischen Wandel und der zunehmenden Akademisierung konzentrieren sich die Ursachen vor allem auf die mangelhafte Attraktivität der Pflegeberufe. Die Entlohnung ist zu gering, auf eine Pflegekraft kommen zu viele Patienten und Patientinnen und die Schichtarbeit sowie die körperliche Tätigkeit strapazieren die Gesundheit der Mitarbeitenden. Im Pflegeberuf kommt es häufig zu Kündigungen und fachfremden Jobwechseln nach einigen Jahren der Erwerbstätigkeit in der Pflege.

Erste Initiativen zur Vermeidung der Fluktuation sowie zur Erleichterung der Arbeit für bestehendes Personal und somit zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit sind bereits gestartet. Verbesserungen in der Arbeitssituation wünschen sich die Mitarbeitenden u.a. in den Bereichen der Entlohnung, Mitsprache, dem Gesundheitsmanagement, der Digitalisierung von Dokumenten und auch der technischen Unterstützung.[2] Hier könnten beispielsweise Roboter zur physischen Unterstützung der Pflegekräfte, mittels Transport- oder Heberobotern, einen Mehrwert bringen.[3] Inwiefern eine Arbeitszeiterhöhung als Lösung in Pflegeberufen in Frage kommt, ist zu diskutieren.[4] Um auch zukünftig Fachpersonal zu bekommen, ist seit dem 1. Januar 2020 die Pflegeausbildung umstrukturiert, generalistischer gestaltet sowie um die Möglichkeit eines Pflegestudiums ergänzt worden, um den Pflegeberuf auch für Abiturienten und Abiturientinnen attraktiv zu machen.[5] Mittels der Initiative „Triple Win“ sollen Pflegefachkräfte aus dem Ausland gewonnen werden und die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse soll vereinfacht werden.[6]

Doch genügt das alles? Es ist Zeit, uns gemeinsam mit der Frage zu beschäftigen: Wer pflegt uns, wenn wir alt sind?

Mögliche Fragestellungen:

Zunächst einmal sollte es darum gehen, sich die Situation im Pflege- und Gesundheitsbereich bewusst zu machen, d.h. im ersten Schritt zu fragen „Warum liegt ein Fachkräftemangel vor“? Hierfür gibt es verschiedene Ansatzpunkte, bspw. den demografischen Wandel, die schlechten Arbeitsbedingungen sowie die zunehmende Akademisierung.

Im 2. Schritt geht es um die Frage: „Was passiert, wenn wir keine Lösung finden?“

Im 3. Schritt werden – ggf. basierend auf Befragungen im Pflegebereich – Lösungen entwickelt. Die Frage „Welche Institutionen, Technologien oder Innovationen können eine Lösung bieten?“ steht im Vordergrund. Dabei können Lösungen sowohl auf politischer Ebene (Bund, Land und Kommune), in der Wissenschaft sowie bei Arbeitgebenden gedacht werden.

 

[1] Vgl. Seyda et al. (2021), S. 1 ff.

[2] Vgl. Seyda et al. (2021), S. 6.

[3] Vgl. Radic / Vosen (2020), S. 630.

[4] Vgl. Onderka (01.08.2022).

[5] Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frau und Jugend (2022), veröffentlicht im Internet (05.10.2022).

[6] Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2022), veröffentlicht im Internet (04.10.2022)

Foto: Juliane Theiß

Walli Hoffmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für BWL, insbes. Dienstleistungsmanagement. Aktuell schreibt sie an ihrer Dissertation zum Thema Telemedizin in der Veterinärmedizin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind (digitale) Gesundheitsdienstleistungen und Innovationsmanagement.

Foto: Walli Hoffmann

Juliane Theiß ist Dozentin / Academic Lecturer an der IU in Leipzig und Gastwissenschaftlerin an der Universität Leipzig. Aktuell schreibt sie ihre Promotion zum Einfluss von Kultur auf psychologische Verträge. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich People & Culture, Diversity Awareness, New Work und Livelong Learning.