Steigende Ungleichheit durch den CO2-Preis: Wie können die Einnahmen sozialverträglich verwendet werden?

von Daniel Bruns und Dennis Henryk Meier, Leibniz Universität Hannover

Das zentrale und kosteneffiziente politische Instrument auf dem Weg zur CO2-Neutralität ist der nationale sowie internationale Emissionshandel. Unter dem EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) werden 45 Prozent der europäischen CO2-Emissionen gehandelt. Für emissionsstarke Wirtschaftssektoren wird in diesem System eine maximale Anzahl an Zertifikaten ausgegeben. Diese können Unternehmen in zentralen Auktionen erwerben, um die entsprechende Menge an CO2 emittieren zu dürfen. So kontrolliert der Zertifikathandel die Menge des ausgestoßenen CO2 und schafft durch den impliziten CO2-Preis Anreize für den Umstieg auf klimaschonende Alternativen und technische Innovationen zur weiteren Dekarbonisierung.

Die seit 2021 gesetzlich festgelegte CO2-Bepreisung verteuert dadurch viele Produkte des alltäglichen Lebens und verstärkt deshalb die Ungleichheit gemessen am verfügbaren Einkommen. Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, wird die Anzahl der ausgegebenen Zertifikate in den nächsten Jahren weiter sinken und diese Effekte verstärken. Durch den Einstiegspreis in 2021 von 25 Euro je Tonne verteuerte sich Heizöl sowie Diesel und Benzin um über 6 Cent pro Liter (Frondel et al., 2022). Der Preisaufschlag trifft Haushalte mit niedrigen Einkommen besonders stark, da diese einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie ausgeben und in ihrem Konsumverhalten weniger Spielraum für Anpassungen haben (Edenhofer et al., 2019). Bach et al. (2023) gehen von einem langfristigen CO2-Preis von 150 Euro je Tonne aus und zeigen, dass die 10 Prozent mit niedrigstem Einkommen bei einem solchen Preisanstieg fast sechs Prozent mehr ihres Nettoeinkommens für Heizen und Kraftstoffe ausgeben müssten. Dagegen würde der Anteil für die einkommensstärksten 10 Prozent bei nur 1,5 Prozent liegen. Zudem können Haushalte mit geringem Einkommen oft nicht in emissionsarme Technologien wie Wärmepumpen investieren (Fratzscher, 2023). CO2-Preise ohne Kompensation verschärfen also soziale und wirtschaftliche Ungleichheit (d.h. sie haben eine regressive Verteilungswirkung).

Im Gegensatz zu anderen klimapolitischen Maßnahmen wie beispielsweise Mindeststandards, werden durch den Zertifikathandel Einnahmen erzielt, die für die soziale Verträglichkeit verwendet werden können. Die Bundesregierung nennt im [Koalitionsvertrag](https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5b8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1) explizit ein Klimageld – eine einheitliche und einkommensunabhängige Pro-Kopf-Zahlung. In der aktuellen Debatte werden aber auch andere Rückzahlungsmethoden wie eine Kompensation für Fernpendler-Haushalte, die Absenkung von Strompreisen, oder die Entlastung vulnerabler Haushalte durch Förderprogramme zur Verringerung des fossilen Energieverbrauchs diskutiert (Kalkuhl et al., 2021). Fast alle Einnahmen werden durch den [Klima- und Transformationsfonds](https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2022/07/2022-07-27-klima-und-transformationsfonds.html) verwaltet. Aus den geplanten Programmausgaben für das Jahr 2023 wird deutlich, dass Kompensationszahlungen beispielsweise mit Investitionen in Ladeinfrastruktur oder Wasserstoffindustrie konkurrieren.

Die soziale Verträglichkeit der CO2-Bepreisung ist maßgeblich für eine langfristige Akzeptanz der Maßnahmen und somit von hoher Bedeutung für eine erfolgreiche Klimapolitik. Zu der Ausgestaltung ergeben sich diverse praktische Fragen:

  • Was sind die Vor- und Nachteile von Rückzahlungen zu anderen möglichen Ausgaben wie Investitionen in Zukunftstechnologien?
  • Welcher Methodenmix entlastet Haushalte mit niedrigen Einkommen am effektivsten?
  • Welche Härtefälle, Personengruppen die besonders von der CO2-Bepreisung betroffen sind, gibt es und wie können diese gezielt kompensiert werden?
  • Welche Maßnahmen können mit der bestehenden Verwaltungsinfrastruktur bewältigt werden (d.h. können betroffene Personengruppen praktisch erreicht werden)?
Must-Read Literatur

Fratzscher, M. (28. Juli 2023). Die Verweigerung des Klimageldes verschärft die soziale Ungleichheit. (Z. Online, Hrsg.) Fratzschers Verteilungsfragen. https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-07/klimageld-einkommen-entlastung-inflation-energiekosten

Frondel, M., Helmers, V., Mattauch, L., Pahle, M., Sommer, S., Schmidt, C. & Edenhofer, O. (2022). Akzeptanz der CO2-Bepreisung in Deutschland: Die große Bedeutung einer Rückverteilung der Einnahmen. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 23(1), 49-64. https://doi.org/10.1515/pwp-2021-0050

Kalkuhl, M., Knopf, B., & Edenhofer, O. (2021). CO2-Bepreisung: Mehr Klimaschutz mit mehr Gerechtigkeit. MCC-Arbeitspapier. https://www.mcc-berlin.net/fileadmin/data/C18_MCC_Publications/2021_MCC_Klimaschutz_mit_mehr_Gerechtigkeit.pdf

Weiterführende Literatur

Bach, S., Buslei, H., Felder, L., & Haan, P. (2023). Verkehrs- und Wärmewende: CO₂-Bepreisung stärken, Klimageld einführen, Anpassungskosten verringern. DIW Wochenbericht (23), 273-280. https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-23-1

Burger, A., Lünenbürger, B., Tews, K., Weiß, J. & Zschüttig, H. (2022). CO2- Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudebereich sozialverträglich gestalten. Climate Chance (47/2022). Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, Berlin. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/co2-bepreisung-im-verkehrs-gebaeudebereich

Edenhofer, O., Flachsland, C., Kalkuhl, M., Knopf, B., & Pahle, M. (2019). Optionen für eine CO2-Preisreform. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. http://hdl.handle.net/10419/201374

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Daniel Bruns

Daniel Bruns studierte Volkswirtschaftslehre in Mannheim und Kopenhagen. Nach seinem Bachelorstudium arbeitete er für das Center for Evaluation and Development zu außerschulischer Bildung in Pakistan. Seit 2023 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik der Leibniz Universität Hannover. Hier interessieren ihn besonders die sozialen Auswirkungen klimapolitischer Maßnahmen.

Dennis Henryk Meier

Nach abgeschlossener Berufsausbildung studierte Dennis H. Meier Wirtschaftswissenschaften (M.Sc.) an der Leibniz Universität Hannover. Seit 2021 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und promoviert am Institut für Wirtschaftspolitik der Leibniz Universität Hannover. Hierfür beschäftigt er sich insbesondere mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die wirtschaftliche Lage von Studierenden in Deutschland.