Früh übt sich: Wie können wir finanzielle Allgemeinbildung in jungen Jahren verbessern, um Rentenlücken zu schließen?

von Prof. Dr. Sebastian Kube, Exzellenzcluster ECONtribute: Markets & Public Policy (EXC 2126)

Der demografische Wandel in Deutschland bringt unser umlagefinanziertes Rentensystem an seine Grenzen. Die Menschen werden immer älter und gleichzeitig kommen weniger Kinder zur Welt, weshalb die erwerbstätigen Generationen immer mehr Rentenbezüge finanzieren müssen. Nicht erst seit der Rentenreform 2001 wird die gesetzliche Rente für viele Haushalte nicht mehr ausreichen, um den eigenen Lebensstandard im Alter zu sichern. Privat vorzusorgen ist notwendig, um Rentenlücken zu schließen. Um sich eine individuelle kapitalgedeckte Zusatzrente aufbauen zu können, wurde bei der Rentenreform das staatlich geförderte „Riestersparen“ eingeführt.

Aus der psychologischen und verhaltensökonomischen Forschung wissen wir jedoch, dass die Eigenverantwortung für die Absicherung im Alter im Alltag problematisch ist. Viele geben ihr Geld lieber in der Gegenwart aus, können sich schlecht kontrollieren und sehen nur den kurzfristigen Konsum statt der langfristigen Zukunft. Das erschwert das individuelle Sparen oder verhindert es sogar ganz. Selbst wenn wir finanziell vorsorgen, können die Angst, etwas an der heutigen finanziellen Situation zu verschlechtern (Status-Quo Bias) oder fehlende Informationen dazu führen, dass wir nicht in sinnvolle Finanzprodukte investieren und unvorteilhafte Lösungen wählen. Hinzu kommt, dass wir uns in jungen Jahren ungern mit (negativen) Dingen beschäftigen, welche mit dem Alter zu tun haben, weshalb wir oftmals erst zu spät anfangen, unser Erspartes zu investieren und damit den Zinseszins-Effekt nicht voll ausnutzen. Einige Menschen meiden finanzielle Themen wegen fehlender finanzieller Allgemeinbildung generell.

In diesem Projekt sollt ihr euch Gedanken machen, wie man die finanzielle Allgemeinbildung bereits während der Schul- und Ausbildungszeit verbessern kann. Primär sollte es dabei um Aspekte gehen, welche für die private Altersvorsorge relevant sind.

Wie kann man Bewusstsein für die spätere Rentenlücke schaffen und Menschen dazu bringen, bereits früh mit der privaten Altersvorsorge zu beginnen?
Worauf sollte man bei der Wahl von Finanzprodukten achten, mit deren Hilfe man seine private Altersvorsorge aufbaut (Stichwort „passives Investieren“)?
Welche Fehler sollte man möglichst vermeiden?
Wie kann man die oben beschriebenen Probleme abschwächen?
Und, am allerwichtigsten, wie schafft es euer Ansatz, dass dieses Wissen auch bei den Betroffenen ankommt (z.B. via App? Nutzung der Jahrgangsstufe als Committment-Device? Wettbewerbe zwischen Klassen? Mentoring? …)?
Wichtig ist hierbei, dass eure Lösungsansätze nicht nur theoretische Grundlagen vermitteln, sondern auch die Praxis miteinbeziehen und Personengruppen ansprechen, welche sich normalerweise nicht gerne mit derartigen Themen auseinandersetzen würden.

Must-Read Literatur

Fuhrmann, B. (2013). „Don’t know much about economics and business“ Economic und financial literacy als wesentliche, jedoch vernachlässigte Bildungsziele. WissenPlus (4): I-VIII.
https://www.eduacademy.at/gwb/pluginfile.php/25465/mod_resource/content/0/Fuhrmann%20%282013%29.pdf

Finanzfluss: 7 Geld-Fehler, die die meisten Deutschen begehen

Weitere Literaturvorschläge

Statistiken und Informationen zur alternden Gesellschaft und gesetzlichen Rentenversicherung:
https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Fakten-zur-Rente/Alternde-Gesellschaft/alternde-gesellschaft-artikel.html

https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Fakten-zur-Rente/Gesetzliche-Rentenversicherung/gesetzliche-rentenversicherung-artikel.html

Informationen zum passiven Investieren

Ein Vermögen aufbauen mit Aktien/ETF (Finanztip)

Grundprozess des ETF Handels:

Mit ETFs durch alle Lebenslagen und Krisen:

Finanzielle Allgemeinbildung / Financial Literacy:

Leinert, Johannes (2017) : Welchen Einfluss hat Financial Literacy auf die Altersvorsorge?, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, ISSN 1861-1559, Duncker & Humblot, Berlin, Vol. 86, Iss. 4, pp. 83-101.
https://www.econstor.eu/bitstream/10419/205048/1/10-3790-vjh-86-4-083.pdf

Übersicht PISA 2012 „Students and Money“
https://www.oecd.org/pisa/keyfindings/pisa-2012-results-volume-vi.htm

PISA in focus: Do 15-year-olds know how to manage money?
https://www.oecd.org/pisa/pisaproducts/pisainfocus/pisa-in-focus-n41-(eng)-final.pdf

Aktuellster Report aus 2020 der OECD zur finanziellen Allgemeinbildung von Erwachsenen
https://www.oecd.org/financial/education/oecd-infe-2020-international-survey-of-adult-financial-literacy.pdf

Partnerinstitut

Logo Exzellenzcluster ECONtribute: Markets & Public Policy

Trenner

Das Thema wird betreut von

Prof. Dr. Sebastian Kube

Sebastian Kube ist Professor für Verhaltensökonomie und experimentelle Ökonomie am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Bonn sowie im Exzellenzcluster ECONtribute. 2007 promovierte er an der Universität Karlsruhe in Wirtschaftswissenschaften. Er ist Senior Researcher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Research Fellow am Institut zur Zukunft der Arbeit, stellvertretender Direktor des BonnEconLab, und Bonner Koordinator des European Doctoral Program in Quantitative Economics.

Seine Forschungsarbeiten sind interdisziplinär ausgerichtet. In diesen Arbeiten nutzt er Verhaltensdaten aus Labor- und Feldexperimenten, um Fragen zum Zusammenspiel von sozialen Präferenzen und ökonomischen Entscheidungen zu beantworten.