Mentale Gesundheit, Polarisierung und Xenophobie – Wie gelingt ein gesunder Umgang mit Social Media?

von Anne Simon und Thomas Schiller, Leibniz Universität Hannover

Social Media ist mittlerweile nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Mit beispielloser Einfachheit können wir uns darüber mit Freunden und Bekannten vernetzen und austauschen, uns organisieren und informieren sowie Inhalte zu allen möglichen Themen konsumieren. Vor allem unter jungen Menschen werden Soziale Medien wie WhatsApp, Instagram, YouTube, TikTok, Twitter, usw. nahezu universell genutzt (Jechorek, 2023). Kein Wunder, dass dieses Thema auch genauso universell in der Gesellschaft diskutiert wird – sei es von Eltern, die den Zugang ihrer Kinder zu sozialen Netzwerken einschränken wollen, in den Nachrichten, wo oft Hetze, Extremismus und Hasskriminalität damit in Verbindung gebracht werden, oder von autoritären Regimen, z.B. in Iran, Russland oder China, die soziale Netzwerke als Gefahr für ihr Macht- und Informationsmonopol sehen und daher zu Zensur greifen.

Diese Diskussionen zu den Auswirkungen von Social Media basieren oft auf Annahmen, die nicht weiter hinterfragt oder wissenschaftlich überprüft werden. Genau so wie Polarisierung oft als Folge von Facebook gesehen wird, sind ironischerweise Meinungen zu sozialen Netzwerken meist einseitig negativ. Gleichzeitig ist die Nutzung von Social Media freiwillig und sehr weit verbreitet. Daher scheint es auch erhebliche Vorteile von Social Media zu geben. Obwohl es viele legitime Gründe gegen Social Media gibt, ist eine Welt ohne dessen nicht mehr möglich. Da sich diese Technologien blitzschnell verbreitet haben und wissenschaftliche Erkenntnisse über deren Auswirkungen erst in den letzten Jahren zunehmend beleuchtet worden sind, muss sich die Generation, die jetzt mit sozialen Netzwerken aufwächst und somit am stärksten von dessen Effekten beeinflusst wird, also selber den Umgang beibringen. Hier ist es wichtig, Lösungsansätze zu finden, die helfen, einen gesunden Umgang mit Social Media zu lernen. Dafür gibt es aber eine wichtige Voraussetzung: Wir brauchen ein differenziertes Bild von den Auswirkungen von Social Media, welches auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Nur dann können die diversen Vor- und Nachteile richtig einschätzen und darauf auch unseren Umgang in einer Art und Weiße anpassen, welche die negativen Effekte minimiert, ohne die Vorzüge zu verlieren.

Tatsächlich kann uns die Wissenschaft schon erstaunlich viel über Social Media verraten. Durch clevere Identifikationsstrategien und Experimente wissen wir z.B., dass die mentale Gesundheit im Durchschnitt durch die Nutzung von sozialen Netzwerken leidet. Die schlechten Gefühle, die nahezu jeder schon bei der Nutzung von Instagram erfahren hat, wenn wir unser Aussehen oder unsere Erlebnisse mit Freunden vergleichen, sind nicht nur eine Anekdote – diese Gedanken kommen systematisch bei Nutzern auf und führen sogar zu schlechteren Noten (Braghieri, Levy, & Makarin, 2022). Damit einhergehend führte ein Experiment, bei dem Teilnehmende eine vierwöchige Facebook-Pause einlegten, zu einer erheblichen Verbesserung von ihrem Wohlbefinden und sie verbrachten mehr Zeit offline mit Familie und Freunden (Allcott, Braghieri, Eichmeyer & Gentzkow, 2020). Andererseits konnte gezeigt werden, dass Proteste durch Social Media einfacher zu organisieren sind und damit häufiger auftreten, was ein demokratisches Miteinander stärken kann (Zhuravskaya, Petrova & Enikolopov, 2020). Jedoch gibt es auch einen wissenschaftlichen Konsens, dass Hasskriminalität über soziale Netzwerke einfacher zu organisieren ist und problematische Posts von einer Partei wie der der Alternative für Deutschland (AfD) auf Facebook oder von dem ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf Twitter erhebliche und sichtbare negative Konsequenzen mit sich bringen (Zhuravskaya, Petrova & Enikolopov, 2020). Insgesamt sind die Auswirkungen von Social Media also vielfältig und komplex. Hier sollt ihr tiefer einsteigen und kreativ werden:

  • Was können wir alles aus den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien über die Auswirkungen von Social Media lernen?
  • Welche Maßnahmen findet ihr für einen gesunden Umgang mit Social Media wichtig?
  • Und welchen konkreten Lösungsansatz (z.B. persönliche Verhaltensmaßnahme, pädagogischer Ansatz, App oder politische Regulation) schlagt ihr vor, damit Social Media nicht zu Hass, Depressionen und Polarisierung führt, sondern vielmehr zu gesellschaftlichem Verständnis, mentaler Gesundheit und Demokratie?
  • Was sind (wissenschaftlich fundierte) Vor- und Nachteile von Social Media, besonders im Hinblick auf Wohlergehen, Polarisierung und Xenophobie?
  • Ist es möglich durch gesunden Umgang mit Social Media die Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu minimieren
  • Welche Lösungsansätze (z.B. persönliche Verhaltensmaßnahmen, pädagogische Ansätze, Apps oder politische Regulationen) können einen gesunden Umgang mit Social Media fördern?
Must-Read Literatur

Die Literatur wird zur Verfügung gestellt.

Allcott, Hunt, Luca Braghieri, Sarah Eichmeyer, and Matthew Gentzkow. 2020. „The Welfare Effects of Social Media.“ American Economic Review, 110 (3): 629-76.

Zhuravskaya, Ekaterina, Maria Petrova, and Ruben Enikolopov. 2020. „Political effects of the internet and social media.“ Annual review of economics 12. 415-438.

Weiterführende Literatur

Braghieri, Luca, Ro’ee Levy, and Alexey Makarin. 2022. „Social media and mental health.“ American Economic Review 112.11. 3660-3693

Jechorek, Janina. 2023. “Neue Daten: Statistiken zur Social-Media-Nutzung in Deutschland“. HubSpot. https://blog.hubspot.de/marketing/social-media-in-deutschland [Abgerufen am 30.07.2023]

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Das Thema wird betreut von

Anne Simon

Foto: Christian Wyrwa

Anne Simon ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gesundheitsökonomik der Leibniz Universität Hannover. Sie forscht zu gesundheits- und entwicklungsökonomischen Themen und untersucht insbesondere den Zusammenhang von Politikmaßnahmen in Subsahara Afrika mit schädlichen sozialen Normen sowie mit Kinderarbeit und Bildung.

Thomas Schiller

Foto: Christian Wyrwa

Thomas Schiller arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Makroökonomik an der Leibniz Universität Hannover. Sein Forschungsschwerpunkt ist politische Ökonomie, insbesondere in der Forschung zu den Effekten von Internet und Social Media auf Protestbewegungen. Weiterhin liegt sein Interesse in der Entwicklungsökonomie sowie China.