My body, my choice – my body, your choice? Welche gesellschaftliche Bedeutung kann eine Legalisierung der Eizellabgabe und der Leihmutterschaft in Deutschland haben?

von JProf. Dr. Henrike von Scheliha, Bucerius Law School

Dank des wissenschaftlichen Fortschritts der letzten Jahrzehnte ist es heute möglich, Personen, die aus irgendeinem Grund nicht durch Geschlechtsverkehr ein Kind zeugen können, bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches zu helfen. Mit medizinisch-technischer Unterstützung werden hierfür die Gameten von einer anderen, einer dritten Person verwendet. In Deutschland ist ca. jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Zugleich ist eine erhebliche Alterung der Gesellschaft zu verzeichnen: 2035 wird über 60 % der Bevölkerung im Rentenalter sein. Der demographische Wandel ist zwar eine globale Erscheinung, aber in keinem Land verlief die Geburtenentwicklung so abrupt und hatte so nachhaltige Folgen wie in Deutschland. Jedoch können in Deutschland aktuell nur die fehlenden oder nicht funktionierenden männlichen Gameten, also die Samen ersetzt werden, und zwar über die Samenspende. Eine Eizellspende oder eine Leihmutterschaft ist dagegen verboten und stehen unter Strafe. Die weiblichen Gameten sind also nicht ersetzbar. Daher reisen deutsche Paare ins Ausland, um dort die hier verbotene Eizellabgabe oder Leihmutterschaft in Anspruch zu nehmen. Je nach Land zahlen sie dafür erhebliche Summen an die Kliniken und kehren dann nach Deutschland zurück.

Zu Beginn der Legislaturperiode setzte die Regierung eine Expert:innenkommission ein, um die Legalisierung der Eizellabgabe und der Leihmutterschaft in Deutschland zu prüfen. Diese Kommission kam zu dem Ergebnis, dass sowohl eine Beibehaltung des Verbots als auch eine Legalisierung möglich ist und dass die Gesetzgebung für beides auf gute Gründe zurückgreifen kann. Vielfach wird aber darauf hingewiesen, dass auch bei einer Entscheidung für ein Verbot überdacht werden muss, wie man hier in Deutschland mit den Auslandseizellabgaben und -leihmutterschaften umgeht.

Das Meinungsspektrum in der Diskussion reicht von der unbedingten Selbstbestimmung über den eigenen Körper und der Befreiung von paternalistischem Schutz, der der individuellen Frau jede Autonomie abspricht, und der Bekämpfung der Instrumentalisierung der Frau sowie der Unterstützung von patriarchalen, kapitalistischen Machtsystemen.

Mögliche Fragestellungen:

  • Wie kann man garantieren, dass die Entscheidung einer Person, ihren Körper für den fremden Kinderwunsch zur Verfügung zu stellen, tatsächlich frei ist und nicht unter Zwang erfolgt?
  • Welche Chancen und Risiken bestehen bei einer kommerziellen Variante dieser reproduktionsmedizinischen Maßnahmen und welche bei einer altruistischen Form?
  • Wie kann man für das so geborene Kind garantieren, dass es von seiner anderweitigen genetischen und/oder geburtsmäßigen Abstammung erfährt?
  • Wie kann man verhindern, dass das Kind zum Objekt der Interessen Erwachsener wird?
  • Was für wirtschaftliche und soziale Folgen hat die Entwicklung eines globalisierten Marktes zur Zeugung von Kindern?
  • Welche Folgen hat die Ausweitung reproduktionsmedizinischer Instrumente auf die gesamtgesellschaftliche Lage, also demographische Entwicklung und in der Folge insbesondere soziale Sicherungssysteme, Arbeitsmarkt und Demokratie?
Must-Read Literatur

Abschlussbericht der Expert:innenkommission des Bundestages, S. 339-S. 519 (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Kom-rSF/Abschlussbericht_Kom-rSF.pdf)

Podiumsdiskussion „Female Futures – Leihmutterschaft legalisieren, 2024 (https://www.youtube.com/watch?v=DHs-oxOrJKQ)

Weiterführende Literatur

SZ, 1.7.2023, Soll die altruistische Leihmutterschaft erlaubt werden?

Apitzsch, Die »Ent-Sorgung« (Outsourcing) von Care entlang von Geschlechter- und Armutsgrenzen: Der Fall der transnationalen Leihmutterschaft, Feministische Studien 2/2016, S. 341-349.

Positionspapiere von Terre des Femmes zur Leihmutterschaft und Eizellabgabe (https://frauenrechte.de/aktuelles/detail/es-gibt-weder-ein-recht-auf-ein-kind-noch-die-pflicht-eines-zu-bekommen-terre-des-femmes-positioniert-sich-fuer-die-abschaffung-des-paragrafen-218-gegen-legalisierung-von-altruistischer-leihmutterschaft-und-gegen-eizellabgabe)

Positionspapier des Deutschen Juristinnenbundes zur Eizellabgabe (https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/presse/stellungnahmen/st24-11_Eizellabgabe.pdf)

Hoven/Rostalski, Zur Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland, JZ 2022, 482-491

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Das Thema wird betreut von

Henrike von Scheliha

JProf. Dr. Henrike von Scheliha ist seit Juni 2024 Inhaberin der Juniorprofessur für Bürgerliches Recht, insbesondere Familien- und Erbrecht an der Bucerius Law School in Hamburg. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht im Dezernat von Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Henning Radtke in Karlsruhe. Ihr Forschungsprofil zeichnet sich durch eine internationale, interdisziplinäre und feministische Perspektive aus.

https://www.law-school.de/profil/henrike-von-scheliha