Attraktive Finanzbildung für junge Leute – Wie geht das?

von Marius Cziriak, ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, und Manuel Vogler, Universität Mannheim

Finanzkompetenz – oder financial literacy – ist im engeren Sinne die Fähigkeit, angemessen mit finanziellen Angelegenheiten umzugehen. Dabei kann Finanzbildung helfen, die eigenen finanziellen Entscheidungen zu stärken und mit Wissen zu untermauern. Sowohl bei der privaten Budgetplanung, der Kreditaufnahme, Spar- und Versicherungsentscheidungen oder der Altersvorsorge konnte in der Forschung bereits gezeigt werden, dass Finanzbildungsprogramme positive Effekte auf das Finanzverhalten haben (Kaiser & Menkhoff, 2021). Finanzkompetenz umfasst im weiteren Sinne aber auch ein grundlegendes Verständnis unseres Wirtschaftssystems, das jeder Person erlaubt, die Rahmenbedingungen unseres Wirtschafts- und Finanzsystems mitgestalten zu können und nachhaltige und bewusste Konsumentscheidungen zu fällen (Aprea et al., 2015).

Anders als die meisten Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Deutschland keine nationale Strategie, um Finanzbildung zu fördern. Finanzielle Bildung ist in Deutschland ungleichmäßig verteilt (Bucher-Koenen & Knebel, 2021), und für die zahlreichen Finanzbildungsangebote fehlt eine klare Qualitätssicherung (Aprea, 2022). Ein Blick auf andere Länder zeigt, dass ambitionierte Finanzbildungsprogramme möglich sind. Im Nachbarland Österreich gibt es hier bereits Pläne (OECD, 2021a).

Für junge Personen ist Finanzbildung wichtig, da sie beim Übergang in ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben viele wirtschaftliche Entscheidungen treffen müssen und diese Entscheidungen zunehmend komplexer werden. Durch Reformen des Sozialversicherungssystems gehen nun vermehrt finanzielle Risiken auf die Versicherten über Auch digitale Angebote wie Shopping- und Aktientrading-Apps tragen durch undurchsichtige Kosten- und Vertragsklauseln zur zunehmenden Komplexität bei. Die Ursachen dafür können gesellschaftliche Veränderungen und Krisen sein, genauso wie individuelle Lebensentwürfe der nachfolgenden Generationen.

Auch wenn sich die Forschung zu finanzieller Bildung und Finanzkompetenzen rasch entwickelt, sind noch viele Fragen ungeklärt.

Beispiele für mögliche Fragen sind demnach:
• Was gehört für junge Menschen zum Thema Geld und Finanzen alles dazu?
• Wie kann Finanzbildung für junge Leute attraktiv gestaltet werden?
• Hat finanzielle Bildung auch negative Folgen? Welche Risiken bergen Finanzbildungsangebote?
• Durch wen kann finanzielle Bildung bereitgestellt werden? Sind Schule, Arbeitsplatz, Vereine, private Anbieter oder andere Möglichkeiten geeignet?

Must-Read Literatur

Aprea, Carmela (2022). Stand und Perspektiven der finanziellen Bildung in Deutschland. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 75 (6), S. 1-5. Online verfügbar unter https://www.bwl.uni-mannheim.de/media/Lehrstuehle/bwl/Aprea/Dokumente/ZfgK_2022-06_Aprea_DSD.pdf (zuletzt abgerufen am 24.10.2022).

Kaiser, Tim und Lukas Menkhoff (2021). Maßnahmen zur finanziellen Bildung wirken – Deutschland sollte nationale Strategie für finanzielle Bildung entwickeln. DIW Wochenbericht 38/2021, S. 643-650. Online verfügbar unter https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-38-1 (zuletzt abgerufen am 24.10.2022).

Weiterführende Literatur

Bucher-Koenen, Tabea und Caroline Knebel (2021). Finanzwissen und Finanzbildung in Deutschland – Was wissen wir eigentlich? Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 90 (1), S. 11-32. Online verfügbar unter https://elibrary.duncker-humblot.com/article/61945/finanzwissen-und-finanzbildung-in-deutschland-was-wissen-wir-eigentlich (zuletzt abgerufen am 24.10.2022).

Aprea, Carmela (2021). Finanzielle Bildung in der Schule oder am Arbeitsplatz? Eine Synthese und kritische Würdigung aktueller Forschungsbefunde. Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 90, S. 45-60. Online verfügbar unter https://elibrary.duncker-humblot.com/article/61949/finanzielle-bildung-in-der-schule-oder-am-arbeitsplatz-eine-synthese-und-kritische-wurdigung-aktueller-forschungsbefunde (zuletzt abgerufen am 24.10.2022)

Lusardi, Annamaria und Olivia S. Mitchell (2014). The Economic Importance of Financial Literacy: Theory and Evidence. Journal of Economic Literature 52(1), S. 5-44. Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1257/jel.52.1.5 (zuletzt abgerufen am 24.10.2022)

OECD (2020). PISA 2018 Results (Volume IV): Are Students Smart about Money?, PISA, OECD Publishing, Paris. Online verfügbar unter https://doi.org/10.1787/48ebd1ba-en (zuletzt abgerufen am 24.10.2022)

OECD (2021a). Nationale Finanzbildungsstrategie für Österreich. Online verfügbar unter https://www.bmf.gv.at/ministerium/nationale-finanzbildungsstrategie.html, (zuletzt abgerufen am 24.10.2022).

OECD (2021b). Digital delivery of financial education: design and practice. Online verfügbar unter www.oecd.org//financial/education/digital-delivery-of-financial-education-design-and-practice.htm (zuletzt abgerufen am 24.10.2022).

Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (2022). Der Materialkompass. Online-Angebot, verfügbar unter https://www.verbraucherbildung.de/materialkompass (zuletzt abgerufen am 24.10.2022).

Partnerinstitut

Logo ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Trenner

Das Thema wird betreut von

Marius Cziriak

Foto: ZEW

Marius Cziriak ist seit September 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im ZEW Forschungsbereich Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte am tätig. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Ludwigs-Maximilians-Universität München sowie der Warsaw School of Economics. Im Rahmen seiner Promotion an der Graduate School of Economic and Social Sciences (GESS) an der Universität Mannheim beschäftigt er sich mit den Finanzen privater Haushalte, finanzieller Bildung, staatlichen Rentensystemen und privater Altersvorsorge. Er ist affiliierter Wissenschaftler des Mannheim Institute for Financial Education (MIFE).

Manuel Vogler

Foto: Katrin Glückler

Manuel Vogler arbeitet seit Dezember 2021 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr­stuhl für Wirtschafts­pädagogik – Design und Evaluation instruktionaler Systeme an der Universität Mannheim. Nach einem dualen Studium der BWL-Bank an der DHBW Ravensburg sowie einem anschließenden Masterstudium der Wirtschaftspädagogik an der Universität Graz forscht er nun im Rahmen seiner Promotion zu finanzieller und ökonomischer Allgemeinbildung im sozioökonomischen Kontext. Er ist affiliierter Wissenschaftler des Mannheim Institute for Financial Education (MIFE).