Bildungs(un)gerechtigkeit in Deutschland: Wie kann man Chancengleichheit im Bildungswesen verbessern?

von Vera Freundl, Lavinia Kinne und Katharina Wedel, ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München

Bildung ist essentiell, um Wissen und Kompetenzen zu vermitteln und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Gibt es jedoch eine ungerechte Verteilung von Chancen im Bildungswesen, so sind diese Möglichkeiten nicht für alle Personen gleichermaßen gegeben. Dieses Projekt möchte zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen, indem die Schulteams Maßnahmen zu einer besseren Chancengleichheit in der Bildung erarbeiten.

Chancenungleichheit kann sich in verschiedenen Formen zeigen. Wir verstehen darunter Ungleichheit in denjenigen Dimensionen, welche nicht von der individuellen Person beeinflusst werden können, wie zum Beispiel Geschlecht, Herkunft oder familiärer Hintergrund (vgl. Roemer und Trannoy, 2016). Auch in Deutschland ist Bildungsungerechtigkeit ein Problem. So hängt der eigene Bildungsweg oft vom Elternhaus ab: Von 100 Akademikerkindern beginnen 79 ein Studium, von 100 Nichtakademikerkindern nur 27 (Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft, 2021; für weitere Beispiele siehe Wößmann, 2020). Die Bildungsforschung zeigt: Jedes zusätzliche Bildungsjahr bedeutet ein etwa 10% höheres Einkommen im späteren Arbeitsleben (Hanushek et al., 2015). Bei großen, anhaltenden Ungleichheiten im Bildungswesen klafft also die Schere zwischen Besser- und Schlechterverdienenden auf Dauer auseinander.

Doch es gibt bereits Forschung zu wirksamen Maßnahmen gegen Chancenungleichheit. So wurde beispielsweise gezeigt, dass Mentoring-Programme die Arbeitsmarktchancen von stark benachteiligten Jugendlichen verbessern können (Resnjanskij et al., 2021). Im frühkindlichen Bereich fand man, dass personalisierte Unterstützung bei der Kita-Bewerbung die Bewerbungsquote und die Kita-Inanspruchnahme von bildungsferneren Familien deutlich erhöhte (Hermes et al., 2021). Dies ist relevant, da Kinder aus diesen Familien besonders stark vom Kita-Besuch profitieren.

Die Idee dieses YES-Themas ist es, eine konkrete Maßnahme zu entwickeln, die Chancenungleichheit in eurer Umgebung (Kindergarten, Schule, Freizeit, Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt) reduzieren kann. Die Initiative kann möglicherweise sogar auf die Besonderheiten eurer Umgebung abgestimmt sein – beispielsweise durch eine Zusammenarbeit mit lokalen Firmen, Institutionen, Politiker*innen oder Universitäten. Eure Idee kann sich sowohl auf den Schulalltag als auch auf den Alltag in der Nachbarschaft beziehen.

Habt ihr Bildungsungerechtigkeit schon selbst oder in eurem Umfeld erlebt?
Welche anderen Maßnahmen fallen euch ein, um Chancengleichheit im Bildungswesen zu verbessern?
Wie können solche Initiativen langfristig, inklusiv und fair umgesetzt werden?
Welcher Nutzen entsteht kurz- und langfristig, welche Kosten (Zeit, Geld, Prozessänderungen, …)?
Wie könnte man diese Maßnahmen an eurer Schule / in eurem Umfeld / in Deutschland umsetzen?

Must-Read Literatur

Hermes, H., Lergetporer, P., Peter, F., Wiederhold, S. und Freundl, V. (2021). Bewerbungsunterstützung erhöht die Kita-Inanspruchnahme von Kindern aus bildungsferneren Familien. ifo Schnelldienst 74(9), S. 41-45.

Resnjanskij, S., Ruhose, J., Wiederhold, S. und Wößmann, L. (2021). Mentoring verbessert die Arbeitsmarktchancen von stark benachteiligten Jugendlichen. ifo Schnelldienst 74(2), S. 31-38.

Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft (2021). Vom Arbeiterkind zum Doktor: Der Hürdenlauf auf dem Bildungsweg der Erststudierenden. Diskussionspapier 2 des Stifterverbands für die Deutsche Wirtschaft in Kooperation mit McKinsey & Company.

Wößmann, L. (2020). Gleiche Chancen? Je früher, desto besser! Bildungsgerechtigkeit im deutschen Schulsystem. lautstark Magazin, S. 26-28.

Weiterführende Literatur

Hanushek, E. A., Schwerdt, G., Wiederhold, S. und Wößmann, L. (2015). Returns to Skills around the World: Evidence from PIAAC. European Economic Review 73, S. 103-130.

Roemer, J. E. und Trannoy, A. (2016). Equality of Opportunity: Theory and Measurement. Journal of Economic Literature 54(4), S. 1288–1332.

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Das Thema wird betreut von

Verena Freundl

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Vera Freundl ist Fachreferentin am Zentrum für Bildungsökonomik des ifo Instituts, München. Sie befasst sich mit dem Wissenschaftsmanagement des Bereichs und arbeitet z.B. mit repräsentativen Meinungsumfragen zu Bildungspolitik in Deutschland.

Lavinia Kinne

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Lavinia Kinne ist Doktorandin am ifo Institut in München im Bereich Bildungsökonomik. Ihre Forschungsinteressen liegen hauptsächlich im Bereich Geschlechterunterschiede sowie der Relevanz von Bildung auf dem Arbeitsmarkt, sie forscht aber auch zu internationalen Vergleichen von Bildungssystemen.

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Katharina Wedel

Foto: ifo Institut

Katharina Wedel ist Doktorandin am Zentrum für Bildungsökonomik des ifo Instituts in München. In ihrer Forschung untersucht sie die Wirksamkeit eines Mentoring-Programmes für Schüler und Schülerinnen in Deutschland sowie Determinanten von Schülerleistungen, insbesondere den Einfluss von Unterrichtszeit.