Geschlechterstereotype und (Selbst-)Diskriminierung am Arbeitsplatz: Wege aus der Geschlechterfalle

von JProf. Dr. Arno Apffelstaedt, Exzellenzcluster ECONtribute: Markets & Public Policy

In Sachen Geschlechtergerechtigkeit hat sich einiges getan. So übertrifft zum Beispiel seit einigen Jahren der Anteil weiblicher Studienanfänger und -absolventen den Anteil männlicher Studienanfänger und -absolventen (Statistisches Bundesamt, 2022). Dennoch spielen Stereotype darüber, was Männer und Frauen bzw. Jungen und Mädchen leisten können oder sollten, nach wie vor eine große Rolle in den Köpfen und in der Gesellschaft. Dies führt einerseits zu (ungerechtfertigter) Diskriminierung durch andere (z.B. Vorgesetzte und Lehrer), aber auch zu falschen Selbsteinschätzungen und möglichen Fehlentscheidungen bei der Berufswahl und späteren Karriereschritten von Männern und Frauen.

Geschlechterstereotype manifestieren sich in verschiedenen Bereichen und betreffen unterschiedliche Dimensionen (Wolter, 2020). Bekannt sind Stereotypen hinsichtlich vermeintlicher Fähigkeiten in Bereichen wie Mathematik und Naturwissenschaften, bei denen Männern typischerweise eine angeblich natürliche Überlegenheit zugeschrieben wird, oder bei Sprachvermögen und Care-Arbeit, wo Frauen vermeintlich besser sein sollen. So wird bei Männern Erfolg häufig eher auf Talent zurückgeführt (und Misserfolg auf Faulheit), während bei Frauen Erfolg eher als Ergebnis von Fleiß gesehen wird (und Misserfolg als Mangel an Talent) (Gelitz, 2020). Derartige „Meta-Stereotypen“ ziehen sich durch viele Bereiche und können unternehmensrelevante Entscheidungen, wie z. B. Beförderungen, stark beeinflussen.

Studien zeigen, dass Stereotypen oftmals auch in den Köpfen der betroffenen Personen selbst vorherrschen und daher zu falschen Selbsteinschätzungen und Fehlentscheidungen führen können (Coffman, 2014; Bordalo et al., 2019; Exley und Kessler, 2022). So denken Frauen oft, dass sie nicht so gut in Mathe sind wie ein männlicher Kandidat, was dazu führt, dass sie sich in Wettbewerben gegen Männer nicht aktiv genug einsetzen und sich in ihrem Berufsleben beispielsweise nicht aktiv auf Führungspositionen bewerben. Gleiches gilt für Gehaltsverhandlungen oder allgemeine Forderungen nach höherem Gehalt, was evtl. zum Gender Pay Gap beiträgt.

Die Idee dieses YES-Themas ist es, ein konkretes Problem mit stereotypen-bedingter Diskriminierung zu identifizieren, welches für die aktuelle Generation an Schüler:innen bei Eintritt in der Arbeitsmarkt vermutlich eine große Rolle spielt und für dieses Problem z.B. eine gesellschaftlich-politische Lösung oder eine wirtschaftlich-kaufmännische Lösung  zu entwickeln.

  • Welche Erfahrungen mit Stereotypen und Diskriminierung habt ihr im (Schul-)alltag schon selbst gemacht?
  • In welchen Branchen und Bereichen (z.B. Technologiebereich, MINT-Fächer) sind Geschlechterstereotype und (Selbst-)Diskriminierung besonders ausgeprägt?
  • Wie könnte das Problem dort konkret angegangen werden?- Wer sind die entsprechenden Akteur:innen, die bei der Umsetzung helfen könnten?
Must-Read Literatur

Wolter, Ilka (2020): „Wie entstehen Geschlechtsstereotype und wie wirken sie sich aus?“ https://www.bzkj.de/resource/blob/155814/7dba51e3750a471732394005bc5f652a/20202-wie-entstehen-geschlechtsstereotype-und-wie-wirken-sie-sich-aus-data.pdf

Bertrand, Marianne (2020): “Gender in the Twenty-First Century” (wird zur Verfügung gestellt)

Weiterführende Literatur

Wirsing-Schneider, Johanna (2022): „Geschlechterstereotype: Auswirkungen am Arbeitsplatz“ https://www.personalwissen.de/personalwesen/diversity/geschlechterstereotypen-geschlechtstrennung/

Boll, Christina, Elisabeth Bublitz und Malte Hoffmann (2015): „Geschlechtsspezifische Berufswahl: Literatur- und Datenüberblick zu Einflussfaktoren, Anhaltspunkten struktureller Benachteiligung und Abbruchkosten“ https://www.hwwi.org/fileadmin/hwwi/Publikationen/Policy/HWWI_Policy_Paper_90.pdf

Oestreich, Heide (2012): „Vorurteile über Frauen: Wahr wird, was sie dir erzählen“ https://taz.de/Vorurteile-ueber-Frauen/!5098146/

Gelitz, Christiane (2020): „Männer halten wir eher für genial als Frauen“ https://www.spektrum.de/news/unbewusste-einstellungen-halten-wir-maenner-doch-fuer-klueger/1749368

Gupta, Shalene (2022): „Gender Stereotype That Holds Women Back“ https://hbswk.hbs.edu/item/too-nice-to-lead-unpacking-the-gender-stereotype-that-holds-women-back

Bahler, Kristen (2020): „Are Performance Reviews Sexist? New Research Says Yes“ https://money.com/performance-reviews-are-sexist/

Statistisches Bundesamt (2022). Frauenanteile nach akademischer Laufbahn (Stand: 22.12.2022) https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/Tabellen/frauenanteile-akademischelaufbahn.html

Statista (2020). Lieblingsfarbe der Österreicher nach Geschlecht 2019 (Stand: 22.09.2020) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1048160/umfrage/umfrage-zur-lieblingsfarbe-der-oesterreicher-nach-geschlecht/

Hinweis vom YES!-Team

In der Informationsreihe „Wirtschaft verstehen, Zukunft gestalten“ veröffentlicht der Verein für Socialpolitik, einer der größten Vereinigungen von Wirtschaftswissenschaftler:innen aus dem deutschsprachigen Raum, unter dem Slogan „Wirtschaftsthemen – einfach erklärt“ Beiträge prominenter Mitglieder, die aktuelle Fragen unserer Zeit verständlich beantworten. Zu einigen Beiträgen gibt es zusätzlich kurze Videos und/oder Zeitungsartikel.

Besonders interessant für dieses YES!-Thema ist der Beitrag „Warum sind Löhne und Einkommen immer noch vom Geschlecht abhängig?“ von Nicola Fuchs-Schündeln, https://www.socialpolitik.de/de/warum-sind-loehne-und-einkommen-immer-noch-vom-geschlecht-abhaengig.

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Das Thema wird betreut von

Arno Apffelstaedt

Arno Apffelstaedt ist Junior Professor für Organizational Economics an der Universität zu Köln. Er promovierte 2018 in Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und war als Gastwissenschaftler an der London School of Economics und der Harvard University. Als Verhaltensökonom beschäftigt er sich unter anderem mit sozialem Verhalten sowie sozialen Normen und den Auswirkungen von Wahlen auf das Verhalten.